LUTZ KIRCHHOF, Laute

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Lebensweg

Vita aus persönlicher Sicht

Meine offizielle Vita wurde für mich geschrieben und bezieht sich vor allem auf meine musikalischen Aktivitäten. Selbst erfährt man sein Leben etwas anders als es von außen sichtbar ist:

Als Kind faszinierte mich eine Gitarre die bei uns auf dem Schrank lag. Sie stammte aus dem 19. Jahrhundert und hatte Perlmutt-Intarsien, einen sehr merkwürdigen Geruch und einen geheimnisvollen dunklen Klang. Mit drei Jahren sagte ich meiner Mutter, dass ich dieses Instrument lernen wollte. Ich bekam später Gitarrenunterricht, wurde als begabt erkannt und bekam Lothar Fuchs, einen Schüler von Walter Gerwig, dem deutschen Lautenguru, als Lehrer. Er erkannte, dass ich auf der Gitarre am liebsten alte Musik spielte - eben Lautenmusik - und zeigte mir seine eigene Laute. Ich wollte auch eine haben! 10 Jahre lang durfte ich den auf musikalische Darstellung und ehrliche Interpretation fokussierten Unterricht bei einem beseelten Lehrer genießen. Er sorgte dafür, dass ich früh Konzerte geben konnte und an Tonproduktionen teilhaben durfte. Ich gewann einige Wettbewerbe, fing dann aber an mich nicht mehr ganz wohl zu fühlen. Es fehlte etwas. Dann hatte ich einen Traum: Ich war in der Zeit der großen Lautenisten auf dem Weg zu einem Konzert von Jean Babtiste  Besard. Ich lief über Kopfsteinpflaster an einfachen alten Häusern vorbei und freute mich schon. Im Konzert konnte ich genau sehen, wie er die Saiten mit seiner rechten Hand berührte und hörte einen unglaublich schönen und ausdrucksvollen Ton. Danach fing ich an zu experimentieren, gab alle anderen Pläne auf und studierte Musikwissenschaft um den professionellen Umgang mit alten Quellen zu erlernen. Ich experimentierte und forschte Monate und Jahre lang um die in Jahrhunderten ausgereiften aber nun vergessenen Spiel- und Interpretationstechniken wiederzufinden. Nach vielen Versuchen gelang mir etwas, was mir stimmig aber immer wieder verbesserungswürdig erschien – das hat sich bis heute nicht geändert.

Ich begann ein Hochschulstudium – nun als Autodidakt und bekam dabei die geduldige Unterstützung von Professor  Heinz Teuchert, der meine Spiel- und Interpretationstechniken in großer Offenheit förderte, obwohl sie von seinen eigenen Methoden völlig abwichen!

Nach dem Studium produzierte ich meine erste Soloschallplatte mit einer Sonata von Sylvius Leopold Weiss. Prof. Lothar Hoffmann Erbrecht schrieb einen Text dazu und schickte die Schallplatte an den Produzenten Wolf Erichson. Der besuchte mich gleich und wir begannen eine sehr schöne und treue Zusammenarbeit, die bis zu seinem Ruhestand bestehen blieb.  Nun hatte ich die Möglichkeit mit einer wunderbaren Tontechnik und einer großen Plattenfirma (Sony-Music) CDs zu produzieren. Meine Konzerttätigkeit weitete sich aus und ich kam in Kontakt mit großartigen Musikern wie Max van Egmond, Marie-Claude Vallin, Anner Bylsma, Bruno Weil, Claudio Cavina, Giuliano Carmignola, und vielen anderen.

Ich kaufte mir ein kleines altes Bauernhaus aus dem 17. Jahrhundert im barocken Weilburg mit lustigen kleinen Nebengebäuden und ließ es restaurieren. Es ist ein wundervoller Ort um sich ungestört in die fantastischen Weiten der Lautenmusik zu verlieren und die Essenzen alter Quellen zu destillieren.

Dann kam Martina dazu, mit ihrer schönen Gambe. Seit dem kann ich  „hauseigene“ Kammermusik machen und viele Konzertreisen zu zweit genießen.

Alles ist eigentlich wunderbar, wenn ich nur nicht das unangenehme Gefühl hätte, unsere Kultur geht ein bisschen „den Bach runter“. Viele Menschen werden immer unruhiger und nervöser, können sich nicht mehr richtig entspannen haben vielleicht Ängste oder fühlen sich durch irgendetwas gehetzt… Die Unterhaltungsmusik dominiert enorm, aber tut nicht wirklich gut, oder?  Die Medien haben eine große Macht aber werden offenbar vorwiegend als Geldmaschinen benutzt.

Ich würde mich freuen, wenn sich das wieder ändern würde und der Zugang zur eigenen Intuition und Urteilskraft mehr genutzt würde. Die Quelle der Intuition aus der die ganze Schöpfung hervorgegangen ist, war für die alten Meister nicht so weit entfernt und schwer zugänglich wie für „moderne‘“ Menschen; anscheinend sprudelte die Musik aus ihnen hervor, ohne dass sie sich bemühen mussten. Ich glaube, dass wir davon profitieren können, indem wir sehen, dass ihre Werke eine überzeitliche Kraft und Intelligenz besitzen, der wir uns öffnen dürfen.

Lutz Kirchhof